Best of: Mai 2007

Der Brockhaus beschreibt die „Kreativität“ unter anderem als Fähigkeit, „neue Aspekte und Ansätze zu Problemlösungen“ zu finden. Resultierend aus dieser Definition stelle ich die Annahme, dass erst durch Probleme – die es zu lösen gilt – wahre Kreativität gefördert werden kann. Somit erstrahlen Probleme in zweierlei Licht. Sie blockieren und stellen Störfaktoren des geregelten Ablaufes dar, bieten auf der anderen Seite aber auch ein hervorragendes Fundament für spontane Innovation und erfrischende Überraschung. 

Edge ist World Heavyweight Champion von Smackdown, der Great Khali steht im Main Event von Judgment Day und Vince McMahon verteidigt seinen ECW World Title. Vier Midcard-Matches bekommen in ihren Matches jeweils annähernd so viel Kampfzeit wie die Titelkämpfe um alle Brandkronen zusammen und World Wrestling Entertainment präsentiert der Welt den nunmehr sechsten absolut gelungenen Pay-Per-View in Folge.

Wenn Probleme dieses zur Folge haben – verdammt noch mal, dann lief in den letzten Jahren viel zu viel rund! WWE bewies nicht nur in den letzten vier Wochen, sondern auch ganz speziell schon in den ein bis zwei Monaten davor, dass sie es nicht verlernt haben, auf Unvorhersehbares schnell, konsequent und verblüffend überraschend zu reagieren. Und zumindest bei mir sorgt das nach einer Reihe guter Beispiele wieder für das Gefühl, annähernd alles wäre möglich. Ein so unheimlich wichtiges Gefühl im Sports-Entertainment.

Ihr hört es schon heraus – ich war nicht wirklich unzufrieden mit dem, was im Mai in den Hallen von World Wrestling Entertainment veranstaltet wurde und liebe die Tendenz, die man uns speziell in der Zeit nach WrestleMania aufzeigte. Etwas früher als sonst gibt es den Zusammenschnitt von vier WWE-Wochen in Kolumnenform – früher weil ich um den Monatswechsel nur Ohren für die White Stripes, die Ärzte, Mando Diao und Billy Talent, nicht aber für Wrestling haben werde. Doch bevor es an den Nürburgring geht, präsentiere ich meine ganz persönlichen Tops und Flops des Monats Mai. Viel Spaß dabei.

Beste Storylines und Fehden
1. Money in the Bank
2. Elijah Burke v. CM Punk
3. John Cena v. The Great Khali

Mr. Money in the Bank – er kam, sah und siegte. Wieder einmal. Ich brauche es an dieser Stelle nicht gesondert zu erwähnen, dass die ausschweifende und philosophisch anmaßende Einleitung auf die Ad-Hoc-Storyline rund um den Money-in-Bank-Koffer und die resultierenden Ereignisse zielte. Blöd gelaufen ist das Ganze für Ken Kennedy und den Undertaker. Beide erlebten bei WrestleMania einen großen Spot, der sie von Jetzt auf Gleich an die Spitze der Shows schoss. Der Deadman gewann nach vielen Jahren ohne Gürtel wieder großes Championship Gold und mit Kennedy begann man eine lang angelegte Storyline, die im Main Event der 2008er WrestleMania enden sollte. Dann geschah das mit Abstand dümmste, was einem Mann zu Beginn eines großen Pushs passieren kann – beide Männer verletzten sich und waren zu Pausen gezwungen. Auf der einen Seite hatte man also einen World Heavyweight Champion, der nicht in der Lage war seinen Gürtel zu verteidigen und auf der anderen Seite stand ein aufstrebender Midcarder, den man behutlich für den Main Event aufbaute, der die meiste Zeit seiner lang angelehnten Pushphase aber vermutlich vom Krankenbett aus miterleben werden muss. Homer Simpson würde nicht mehr als ein simples „D’Oh“ dazu einfallen, die Fans von Schalke 04 können es den beiden genannten Wrestlern nachfühlen – das Gefühl vor etwas Großem zu stehen und plötzlich doch nur derjenige zu sein, der anderen bei der Feier zusehen muss. Bisher klingt die Beschreibung nach einem ziemlich deprimierenden Szenario und das ist es zweifelsohne auch gewesen. Genialität hat die Geschichte aber schließlich in der Lösung des Problems erfahren. Denn diese setzte man durch „neue Aspekte und Ansätze“ an und setzte damit eine Fähigkeit ein, die ich einleitend als „Kreativität“ beschrieb. Edge kam ins Spiel. Allein das wertet heutzutage schon fast jede Storyline auf. Wie er schließlich eingesetzt wurde, war schlichtweg phänomenal. Bei Backlash, dem ersten PPV nach WrestleMania, schlug man in einem schönen Segment bereits eine Brücke zwischen Kennedy und Edge – Kennedy warf Edge vor, seinen Shot Anfang letzten Jahres unwürdig eingesetzt zu haben. Wie aktuell die Auseinandersetzung der beiden schon bald werden sollte, hatte bei Backlash wohl noch niemand bedacht. Kennedy wollte man aufgrund seiner langen Verletzungspause den MitB-Koffer nicht behalten lassen und so verlor er ihn überraschend an Edge – und Edge zog dieselbe Show wie bei der letztjährigen New Years Revolution ab und war im Null-Komma-Nichts der neue World Heavyweight Champion. Das Tolle daran ist die Tatsache, dass man tatsächlich nach der besten Lösung gesucht und diese auch umgesetzt hat, als einfach den leichtesten Weg zu gehen. Kennedy hätte man seinen Countdown durch Promos fortsetzen lassen können und den Taker hätte man den Gürtel ganz einfach an Batista oder gar Mark Henry verlieren lassen können. Doch WWE wählte den unbequemen Weg und bot den Fans so eine Handvoll Überraschungen und tolle Vorlagen für eine spannende Fortsetzung. So muss Wrestling gebookt werden. Ich mag den neuen Mut im Bookingteam.

Vor einigen Jahren hatte die World Wrestling Federation ihren Mitbewerbern eines ganz klar voraus: Sie konnte mit angenehmer Regelmäßig tolle Midcard-Fehden erzählen. Die WCW hatte eine gigantisch namhafte Uppercard und tolles Cruiserweight Wrestling, die ECW hatte seinen eigenen Charakter und seine Extreme – aber die WWF konnte tolle Geschichten in der Midcard erzählen. Leider schwächte das immer mehr ab und die Midcard wurde zunehmend farbloser. Lediglich diejenigen Midcardler, die man langfristig in den Main Event pushen wollte, bekamen Aufmerksamkeit in den wöchentlichen Shows. Nach der Ankündigung, dass es keine Roster-Only-PPV’s mehr geben würde war die Angst sehr groß, dass es nun endgültig aus mit klassischen und liebevoll erzählten Midcard-Fehden sei – doch WWE strafte uns Lügen. Ob es nun das magische Duo bestehend aus Ric Flair und Carlito war oder auch die Geschichte um Kane und die Blue Bloods – die Midcard lebte weiter. Das Schmuckstück Nummer 1 kam letztlich aber aus einer Ecke, aus der man es am wenigsten vermutet hatte: ECW, der zurückgebliebene Brand der WWE Familie. Die New Breed / Originals Fehde war beendet und so richtig sah man kein Weiterkommen, bis auf die einmalige Chance Sabu vor die Tür zu setzen. Dann kam schließlich CM Punk ins Spiel und mischte die New Breed von Innen her ordentlich auf. Den Job, für den man zu WrestleMania hin noch vier bekannte Namen des Sports benötigte, erledigte der junge CM Punk locker alleine. Erst trat Punk der New Breed bei, dann beanspruchte er die Führungsposition, nur um eine Woche später schon wieder gegen die Fraktion zu turnen. Sicherlich hätte man dieses Szenario noch etwas ausschmücken können und den Showdown zwischen Punk und Burke auf One Night Stand verlagern, aber auch diese Speed-Version unterhielt mich prächtig. Beide Stars profitierten von der Aufmerksamkeit und bewiesen in ihrer – für beide ersten großen Singles-Fehde – ihr so oft prognostiziertes Potential.

Man mag mich Masochist nennen, wenn ich die WWE-Title-Fehde zwischen dem Great Khali und John  Cena bei den besten Fehden aufführe – aber soll man mich nennen wie man will, in Sachen „Storyline“ fand ich die Zweierkonstellation der Beiden richtig gut. Ob das Match nun unbedingt ein Klassiker wird, ob das Ende nun die beste Entscheidung war oder nicht – vollkommen Schnuppe – die Geschichte war plausibel, nachvollziehbar und passgenau erzählt. Shawn Michaels und Edge waren als Herausforderer ausgelutscht und Randy Orton brauchte noch einen gewissen Aufbau, um glaubhafter Gegenpol für John  Cena zu sein. Umaga stand in einer Fehde mit Lashley und war obendrein auch gerade erst von Cena bezwungen worden. Der Great Khali war in meinen Augen die bestmögliche Option, um den WWE Title weiter interessant zu halten. Khali wurde konsequent stark dargestellt und spielte auch gegen John Cena seine Rolle als unantastbarer Monster-Inder weiter. Cena verkaufte man auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt ängstlich rüberkam, sondern eher respektvoll – was seinem Gimmick auch viel mehr steht. Am Ende ergab sich eine Fehde des Überface gegen ein Monster, welches man als glaubhafte Gefahr für den Champion darstellte. Diese glaubhafte Gefahr hätte so einfach kaum ein anderer verfügbarer Wrestler besser rübergebracht als der Great Khali. Gerade deswegen bin ich sehr froh darüber, dass die Storyline fortgesetzt wird. Vermutlich wird die Unantastbarkeit des Great Khali am Ende sehr unter der Fehde leiden – aber mal ganz ehrlich: Stört das wen?

Schlechteste Storylines und Fehden
1. Snitsky v. Rob Van Dam
2. Randy Orton v. Shawn Michaels
3. Die Entlassung von Rob Conway

Rob Van Dam kam innerhalb der Invasion-Storyline zu World Wrestling Entertainment und war von Beginn an der größte Gewinner des Angles. Während alle „Invader“ nur so aus den Hallen gebuht wurden, liebten die Fans RVD von seinem ersten Auftritt an und in kürzester Zeit schaffte er es in den Main Event. Über Jahre blieb Van Dam einer der stärksten Faces der WWE Midcard, gewann unzählige Titel und bekam im letzten Jahr den verdienten Lohn in Form des WWE Championships. Anschließend machte man ihn zur Leitfigur des neugegründeten ECW Brands. Erst ein privater Vorfall brachte den Einbruch im steilen Aufstieg des Rob Van Dam. Doch er blieb was Leistungen und Reaktionen des Publikums anging weiterhin seiner Linie treu und bewies seinen Status abermals.
 Szenenwechsel.
Gene Snitsky war independent durchaus ein Name, bis er scheinbar in einem Jobber-Match gegen Kane bei RAW antrat. Snitsky „verletzte“ Lita, die dadurch laut Storyline Kane’s Kind verlor. Snitsky’s Äußeres war etwas Neues und er durfte Kane im ersten Aufeinandertreffen sogar annähernd squashen.  Gene Snitsky wurde gepusht, headlinete gar die Survivor Series, verlor jedoch sein Rückmatch gegen Kane und wurde langsam von der Upper Midcard in die Lower Midcard bis in die Lower Card durchgereicht, wo er für alles und jeden jobben musste. Im Zuge des neugegründeten ECW-Brands nahm man ihm seinen speziellen Look, indem man ihn kahl schor und stellte ihn nach dem als Psycho-Monster dar.
2 Karrieren, die sich nun bei der ECW treffen. Ich mag Snitsky nicht. Nicht mehr. Zu Zeiten seines ersten Pushs war er etwas erfrischend Neues und setzte sich in meinen Augen von anderen Big Men wie Heidenreich oder Luther Reigns deutlich ab. Zwar hat auch das Psycho-Gimmick durchaus seinen Charme und er bringt es ganz Okay rüber, aber wohin ihn die Fehde mit RVD führen soll ist wohl eindeutig. Snitsky soll sie in die Arme von Bobby Lashley leiten und RVD soll sie in die Arme von TNA Wrestling befördern. Bedenkt man die Vergangenheit der beiden, erweist sich diese Storyline in meinen Augen als denkbar unwürdigste Methode, um sich von Rob Van Dam zu verabschieden und ihm für seine großartigen Leistungen in der Liga zu danken. Mit Grauen erwarte ich One Night Stand und das sehr wahrscheinlich stattfindende Match der beiden.

Randy Orton ist zweifelsohne einer der talentiertesten und vielversprechendsten Nachwuchstalente bei WWE und zu Shawn Michaels‘ Stellenwert bedarf es keinerlei Erläuterung. Und doch war es irgendwann absolut doof, wie man die beiden ganz schnell in eine Zweierfehde schrieb. Okay, Shawn sollte öffentlich in die Verletzungspause geschickt werden und Randy stand nach Edge’s Trade irgendwie auch blöd allein im Walde – aber die gewählte Lösung, mal flux ein Match der beiden anzusetzen, bei dem Shawn’s Legend gekillt wird, war in für meinen Geschmack doch sehr fad und lieblos. Hätte man es bei der Attacke des Great Khali gegen Shawn belassen, wäre das auch allemal noch glaubhaft gewesen und hätte obendrein den aktuellen No.1 Contender noch stärker dargestellt. Randy hat der Sieg über Shawn dann auch nicht sonderlich voran gebracht, so dass man da dann Nutzen draus ziehen konnte. Orton ist nun wieder einmal der Legend Killer, ein Gimmick dass anscheinend immer wieder aus dem Hut gezaubert wird, wenn man grade nicht so recht mit Randy Orton umzugehen weiß. Am Ende bleibt also eine 10-tägige Fehde, die keinen der Betroffenen weitergebracht hat und vor Belanglosigkeit nur so trieft. Absolut unnötig.

Eigentlich wäre etwas wie eine ungerechtfertigte Entlassung ein guter Punkt für das „Überflüssigste zum Schluss“. Mit Rob Conway würde ich jedoch den Rahmen der Schlussrubrik sprengen, denn bei ihm ist die Kritik nicht mit einem bloßen „Ihr seid doof, weil ihr Conway entlassen habt“ getan. Die Begründung, so hört man Gerüchte, sei gewesen, dass Vince McMahon in Rob Conway nie mehr als einen Jobber gesehen hat, dass er kein Potential für die große Bühne besaß. Bullshit. Man pusht Männer wie Hardcore Holly, Gene Snitsky und viele andere Charisma-Nullnummern in den Main Event und Rob Conway hat nicht das Zeug dazu? Nicht nur, dass er in Sachen Ausstrahlung mindestens 50% des Rosters zum Frühstück isst, auch an seinen In-Ring-Leistungen kann sich so manch einer eine Scheibe abschneiden. Besonders mit dem Buff-Bagwell-Gedächtnis-Gimmick hat man dem ehemaligen La-Resistance-Mitglied etwas auf den Leib geschrieben, was hervorragend funktionierte und perfekt zu ihm passte. Im Handumdrehen könnte man einen Mann wie ihn in Intercontinental-Title-Regionen pushen und spannende Fehde mit ihm erzählen. Weitere Gerüchte besagten, man hätte tatsächlich Größeres mit Conway vorgehabt und es war einzig und allein das Prinzesschen, das ihn nicht mehr sehen wollte. Wenn dem so sei, dann sehe ich schwarz für die Zukunft der Talentförderung bei WWE. Wenn eine Personalverantwortliche einen Worker mit solchem Potential grundlos auf die Straße setzt, mag ich nicht an mögliche Folgen in der Zukunft denken. In meinen Augen hat man sich durch die Entlassung Rob Conways selber ein Armutszeugnis ausgeschrieben – wenn man für einen Mann wie ihn „keine Verwendung“ mehr hat, dann ist verächtliches Kopfschütteln noch geschmeichelt (zur Vervollständigung meines Unmutes: ich schüttel beim Schreiben dieser Zeilen verächtlich meinen Kopf).

Es fällt immer schwer zu beurteilen, ob eine kleine aber sehr gute Fehde bei ECW tatsächlich ausreicht, um das Gebotene bei RAW und Smackdown zu übertrumpfen. RAW hatte gute Geschichten, aber auch lieblose wie die um Orton und HBK. ECW schockt mich mit Snitsky gegen Van Dam und verwöhnt mich mit Burke gegen Punk, während Smackdown mit seinen neuen Champions viele Vorlagen für tolle neue Geschichten geboten bekam. Es ist einfach zu anstrengend da irgendwo Abstufungen rein zu bekommen und daher gebe ich jeder Show einen Punkt, da sie mich alle drei wunderbar unterhalten haben.

Beste Gimmicks
1. Bobby Lashley
2. Mark Henry
3. Carlito

Es ist unglaublich, was man aus dem farblosen Bobby Lashley in den vergangenen sechs Monaten gemacht hat. Nahezu ohne Micwork hat man Bobby von einem guten aber belanglosen Face zu einem der Topstars der Liga aufgebaut – besonders für einen Face bedeutet das eine unheimliche Leistung. Heels müssen nicht reden, um als „böse“ angenommen zu werden, bei Faces ist das schwieriger. Aber mit Lashley ist es gelungen. Während er bei der Battle of he Billionaires Fehde noch Mittel zum Zweck zu sein schien, hat McMahon anscheinend sein großes Potential erkannt und einen Protagonisten nach dem anderen aus der Storyline herausgeschrieben, bis letztendlich nur noch er selber und eben Bobby Lashley übrig blieben. Das Publikum war absolut außer sich, als Bobby bei Judgment Day kurzen Prozess machte und wird es auch beim One Night Stand sein, wenn er Vince den ECW World aus jeder einzelnen Pore seines Körpers prügeln wird.  Nebenbei hält man dadurch nicht nur eine langlebige und spannende Fehde am Leben, man hat Lashley auch noch in seiner Führungsrolle bei ECW gefestigt und sämtliche Bedenken, er könne keinen Brand alleine tragen, beseitigt. Schon heute gehört Lashley nach 5 Monaten im Jahr 2007 schon zu den absoluten Aufsteigern des Jahres und ich bin gespannt, was wir von ihm noch alles zu erwarten haben. Also nachdem er Snitsky verspeist hat…

Luft anhalten und durch. Entschuldigt bitte eventuelle Rechtschreibfehler oder Ungereimtheiten im folgenden Absatz, aber ich bin im Begriff Mark Henry zu loben und da mir das ausgesprochen schwer fällt und eigentlich auch gegen meine Überzeugung Henry doof zu finden ist, muss ich das schnell schnell hinter mich bringen. Also: Mark Henry ist zurück und setzt dort an, wo er vor seiner Verletzungspause aufgehört hat. Damals zeichnete sich schon ab, dass sein Gimmick langsam begann stärker zu werden und Eigenständigkeit entwickelte, die die neun Jahre davor etwas vergessen ließen. Heute, mit dem Abstand der vielen Monate, präsentiert sich Henry nur noch als der glaubwürdige Monsterheel, der er auch vor seiner Pause war und es stellt sich überhaupt nicht die Frage, ob er gleich wieder in die Upper Card gepusht werden sollte – es ist fast sogar selbstverständlich, dass er in einer Liga mit Batista und dem Undertaker spielt. Der „King of the Jungle“ hat schleichend Routine in seinen Status gebracht und so komme ich nicht drumherum, diesen Umstand zu würdigen.
Wuuoaa. Ausatmen. Einen Schluck trinken. Weiterschreiben.

Endlich tut man das, wonach Carlito’s Fans und in erster Linie natürlich auch Carlito selber seit geraumer Zeit dürsten: Man turnt ihn wieder Heel. Eine Rolle, die einfach wie für ihn gemacht ist und in der er sich hundertmal besser entfalten kann als in der Babyface-Rolle. Ric Flair ist der perfekte Übergangsgegner in der Turn-Geschichte und am Ende erhalten wir hoffentlich den großartigen Heel-Carlito aus den Anfängen seiner WWE-Karriere, gepaart mit den Skills, die er in seinem Face-Run erworben hat. Nach seinem Programm mit Flair würde ich ihn mir in einer Fehde mit Santino Marella um den Intercontinental Title wünschen. Carlito als Heel besitzt die Fähigkeit, vergleichsweise blasse Faces durch Storylines zu tragen, wovon am Ende beide Charaktere nur profitieren könnten.

Schlechteste Gimmicks
1. Batista
2. Johnny Nitro & Kenny Dykstra
3. Boogeyman

Jawoll – Pole Position verteidigt. Vor ziemlich genau einem Monat schrieb ich einleitend zu Batista’s Gimmick-Verriss „ Batista’s Zeit auf dem Smackdown-Thron ist abgelaufen.” – und, ganz ehrlich? Ich hab mir den gesamten Absatz nochmal durchgelesen und ich könnte ihn an dieser Stelle ohne Weiteres 1-zu-1 abdrucken. Es gibt dem nichts hinzuzufügen. „Schuld daran ist Vieles, hauptverantwortlich meiner Meinung nach die unklare Gesinnung.“ – das war Satz Nummer zwei des letzten Monats. Okay, nach der Verletzung des Undertakers dürfte Batista wieder klarer Face sein, was in meinen Augen aber die eindeutig schlechtere Entscheidung aus der Tweener-Rolle heraus war, da er in ihr einfach nicht mehr so ankommt, wie es für den Main Event notwendig wäre. Einzig die Tatsache, dass der neue Champ Heel ist und Batista die schnellste Face-Alternative war, lässt ihn in diese Gesinnung zurückfallen. „Sein Face-Run ist vorbei und nur als Monsterheel kann sein Charakter in meinen Augen noch gerettet werden, denn für einen Tweener ist Batista charismatechnisch einfach nicht stark genug.“ – so der Schlusssatz des letzten Monats. Batista muss Heel werden – das ist auch heute noch ein Fakt. Er könnte gegen Kane fehden, gegen Chris Benoit oder gar gegen Matt Hardy. Eins steht jedoch fest – irgendwas muss mit dem Animal passieren, damit es für das Publikum interessant bleibt. Das Zeug dazu hat Batista allemal.

Nitro und Dykstra – das ist irgendwie ein voll lustiges Päärchen. Die Lümmel von der letzten Bank – nach dem Abgang von Joey Mercury ist alles um Nitro herum eigentlich nur noch eine einzige Farce. Schon damals wirkte er auf mich immer irgendwie wie ein spätpubertierender Rotzlöffel, der einen auf dicken Macker macht. Der im Ring stets überforderte Kenny Dykstra, seines Zeichens ehemaliger Anführer einer Strumpfhosen-Kombo, passt so dermaßen dazu, dass es eigentlich schon fast wieder cool ist. Leider ist die Komik hinter dem Team momentan noch unfreiwillig, aber wenn das Booking-Team das Potential dahinter erkennen würde, könnte echt etwas aus den beiden werden. Die Freundinnen der beiden prügeln sich um den Women’s Title, die Buddys halten aber zusammen und machen Woche für Woche Heat unsicher. Tut mir leid, Leute, aber irgendwie kann ich Johnny und Kenny nicht ernst nehmen – sie wirken auf mich einfach wie ein miserabel zusammengemixter Cocktail aus Billy & Chuck, einer Teenie-Soap und dem Nachbarsjungen, der immer die Katze seiner Oma auf meinem Hinterhof jagt.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Also, ich nicht mehr. Es war damals sehr mutig, den Boogeyman von Anfang an als Face einzusetzen, besonders wenn man bedenkt was aus Mystery-Gimmicks wie Goldust oder Kane wurde, nachdem man sie Face turnte. Beim Boogeyman ist es nun genauso – er ist eine Lachnummer, halt nur ohne die Phase, in der er cool war, die Goldust und Kane letztlich legendär machte. Nicht zuletzt ist das auch auf den Little Boogeyman zurückzuführen. Die Frage ist natürlich, welchen Ausweg es aus dieser Misere gibt? Ich befürchte mich zu wiederholen, aber Heelturn scheint auch hier einer der wenigen plausiblen Rettungsmöglichkeiten zu sein. Am besten er betrügt den Little Boogeyman, bekommt neue dunkle und wahrlich böse Facetten und führt eine intensive Fehde mit Kane. Der Charakter, wie er heute präsentiert wird ist ausgelutscht und überholt und entspricht einfach nicht mehr dem Anspruch, das WWE Publikum umschweifend zu unterhalten.

Keine Ahnung – irgendwie schein ich heute nicht so entscheidungsfreudig zu sein… Sowohl ECW, als auch RAW und Smackdown feilen hervorragend an den Gimmicks ihrer Talente, dabei bleiben oftmals auch einige auf der Strecke. Interessant finde ich die Entwicklung um Lance Cade und Trevor Murdoch, dafür rult MVP aber bei Smackdown alles in Grund und Boden und der Punker und Elijah Burker verleihen ECW seinen Premiumschliff. Also: Unendschieden. Wieder.

Wrestler des Monats
1. Edge
2. Montel Vontavious Porter
3. Bobby Lashley

Der König sitzt wieder auf seinem Thron und das Volk blickt ehrfürchtig zu ihm herauf. Er hat seine Dämonen hinter sich gelassen, ehemalige Fraktionen endgültig gebrochen und dem Thronfolger eines fremden Landes mit einer List das Zepter der Macht entrissen, um den König zu entthronen und ihn ins Reich der Toten zu schicken. Er verteidigte seine Macht gegen das mächtigste Tier im Lande und sperrt sich letztlich für einige einzige Nacht gar mit diesem Tier in einen Käfig, um seine Herrschaft zu verteidigen und seinem Volk die vollkommene Pracht seiner Stärke zu offenbaren. Doch was kommt nachdem er das Tier erlegt hat? Bekommt es der neue König dann gar mit dem König des Djungels zu tun oder doch eher mit dem legendären tollwütigen Vielfraß? Steht ihm vielleicht der verbrannte Bruder des gestürzten Königs gegenüber, der kampfwütige Ire oder vielleicht beansprucht auch der rechtmäßige Thronfolger seinen Platz auf den Thron, nachdem er in das Land zurückgekehrt ist. Und ganz vielleicht öffnet sich die Hölle und der wahre König kehrt aus dem Land der Toten zurück, um seinen Thron mit einem Blitzschlag erneut zu besteigen? Wartend auf die Antwort, wer seine Krone noch beansprucht und ob dem Tier im Stahlkäfig überhaupt gewachsen sein wird, sitzt der neue König hoch auf seinem Thron und blickt weit über sein neu erobertes Land.

Eric Zabel und Bjarne Riis haben es zugegeben – sie haben gedopt, sie haben ihrem Erfolg mit verbotenen Mitteln nachgeholfen. Ich glaube nicht, dass das in derselben Form auf Montel Vontavious Porter zutrifft, aber der Mann besitzt dermaßen viel Rock’n’Roll, dass es schier übermenschlich wirkt. Im dritten Anlauf konnte sich MVP endlich den US Title sichern und mit dem nötigen Abstand betrachtet waren die ersten beiden Niederlagen für ihn und seine Entwicklung das Beste, was ihm passieren konnte. Vergleicht man den MVP, der Chris Benoit bei WrestleMania unterlag mit dem MVP, der sich heute mit stolzerfüllter Brust bei Smackdown mit dem United States Championship präsentiert – dann sieht man zwei Männer unterschiedlicher Entwicklungsstufen und das obwohl lediglich zwei Monate zwischen ihnen liegen. Montel Vontavious Porter ist die verdammte Zukunft von Smackdown und was er jetzt braucht ist ein starker Gegner, der Chris Benoit als Fehdengegner beerben kann. Sowohl Matt Hardy als auch Rey Mysterio oder gar Jamie Noble könnte ich mir perfekt als MVP’s nächste Herausforderer vorstellen. Und wenn es für ihn so weitergeht ist er vielleicht schon sehr bald das, was er seit seinem Debut mit Nennung seines Namens vorgibt zu sein: Der wichtigste Spieler im Team von Smackdown.

„If you touch me again, I’ll break you in half.“ – Bobby Lashley ist kein Mann vieler Worte, aber wenn er Vince McMahon in die Augen starrt und ihm solch einen Satz ins Gesicht pfeffert, glaubt man ihm jede einzelne Silbe davon. Sein Siegeszug geht weiter und die Zerstörung von Umaga und Shane McMahon bei Judgment Day war wieder einmal nur ein Zeichen dessen, was man mit Lashley noch alles vor hat. Für mich steht es außer Frage, dass Bobby wieder ECW Champ werden wird und ich hoffe inständig, dass man ihn dann auch wieder auf sein eigenes Roster los lässt. Ein Programm mit Snitsky scheint unausweichlich zu sein – mit dem Alpha Male oder Elijah Burke warten dort aber weitere herausragende Herausforderer, die den ECW Title gemeinsam mit Bobby Lashley auf ein neues Level hieven können. Niemals hätte ich erwartet, Lashley dort einmal zu sehen, wo er heute steht und ich bin absolut froh darüber, denn er unterhält mich in jedem Augenblick, in dem er performt – da spielt es auch keine Rolle, ob er eins oder gar vier Matches an einem Abend bestreitet. Bobby Lashley is extreme – endlich und zu Recht.

Das ECW wird immer stärker, ist aber immer noch viel zu durchwachsen, hat quasi kaum Midcard, sondern nur einzelne Protagonisten, denen es gegönnt wird, eine Storyline bestreiten zu dürfen. Smackdown ist durch die vielen Ausfälle arg geschwächt, aber durch Edge und auch das Henry-Comeback wieder durchaus bereichert worden. Daher 2 Punkte an Smackdown, einen an RAW und keinen an die Extremisten.

Matches und PPV Tops
1. CM Punk v. Elijah Burke /Judgment Day
2. MVP v. Chris Benoit /Judgment Day
3. Hardy Boyz v. Cade & Murdoch /Judgment Day

In erster Linie wurde der Kampf zwischen CM Punk und Elijah Burke durch einen vorherrschenden Umstand beherrscht: Die Intensität war spürbar. Dieses Gefühl bei einem Wrestlingmatch ist unbeschreiblich und zeugt von wahrem Kunstverständnis der Protagonisten. Kein Spotfeuerwerk, kein Hardcore-Gemätzel kann das so sehr erzeugen wie ein ehrlich wirkender Kampf zwischen zwei motivierten Sportlern. Und so wirkte der Kampf bei Judgment Day auf mich. Beide Männer qualifizierten sich über ihre Leistungen für eine große Zukunft in den WWE-Ringen und am Ende spielte es nicht einmal mehr eine wirklich Rolle, wer denn nun wen besiegte. Aus der ECW könnte man vermutlich sehr viel mehr solcher Schmuckstücke herausholen.

Bei zwei Pay-Per-Views blieb MVP erfolglos, im dritten Anlauf schaffte er den klaren 2:0 Sieg über den Candian Crippler und darf sich seither United States Champion nennen. Der Kampf war ehrlich und sauber durchgeführt. Beide Männer zeigten gut ausgeführte und teilweise sogar recht innovative Manöver, wie bspw. den etwas unkonventionellen Aufgabegriff von MVP gegen Benoit. Am Ende siegte der richtige Mann in einem würdigen Abschluss einer langen Fehde.

Zwar hätte ich lieber einmal die Smackdown Tag Team Titles bei einem Pay Per View verteidigt gesehen, aber irgendwie hab ich ja immer noch die Hoffnung auf ein Leitermatch bei One Night Stand. Was uns die Hardyz und die Cowboys dann stattdessen zeigten, war aber auch ein Freudenfest der Tag Team Action. Es ist echt unglaublich, wie gut diese beiden so unterschiedlichen Teams miteinander interagieren und ihre konträren Stile miteinander zu einem tollen Match nach dem anderen vereinen. Der Handshake am Ende und der Save-Run-In am darauffolgenden RAW kommen mir zwar etwas spanisch vor, aber erst mal abwarten was daraus wird. Aber auf jeden Fall gilt: So muss Tag Team Wrestling aussehen.

RAW hatte mit Carlito gegen Flair ein weiteres Highlight auf der Card, mit Orton gegen HBK aber auch das unbestrittene Lowlight des Abends. Die Titelkämpfe waren alle drei nicht das Größte im Sport, daher vergebe ich die Showpunkte in derselben Reihenfolge wie die Aufzählung der drei Highlight-Matches.

Das Überflüssigste zum Schluss
1. KKK -  Ken Kennedy’s Kofferverlust
2. die RAW – PPV – Übermacht
3. die Rostersplit-Farce

Tja, das ist für Kennedy ja echt irgendwie mal ganz schön blöd gelaufen. Erst werden ihm sieben Monate Verletzungspause prognostiziert, dann verliert er seinen Koffer und die lang angelegte WrestleMania-24-Storyline, nur um kurz drauf zu erfahren, dass die Diagnose vielleicht etwas vorschnell ausgesprochen wurde und er schon in wenigen Wochen wieder einsatzbereit sein wird. Wohl dann erstmal ohne den Koffer.

Zwar wussten alle RAW-Matches bei Judgment Day und auch schon bei Backlash zu unterhalten, aber auch bei Smackdown gibt es durchaus PPV-würdiges Fehdenmaterial. Wie bereits erwähnt hätte man anstelle des spontan angesetzten RAW-Tag-Title-Matches auch durchaus Deuce, Domino, London und Kendrick auf die Card setzen können und auch Chavo und Jimmy Wang Yang hätten solch einen Spot durchaus mal verdient. Dass allerdings Kane, der gar als einziger das Poster des PPV’s zierte nicht eine Sekunde TV Time bei der Show bekam, wirkt dann doch arg überspitzt.

Man will eine weitere Draft Lottery veranstalten – und das in einer Zeit, in der Die RAW Tag Team Champions zur Hälfte zum Smackdown Roster gehören und der ECW Headliner vier Matches an einem Abend bei RAW bestreitet, aber kein einziges bei der ECW. Vielleicht kann man die Lottery ja als eine Art Neuanfang werten und das Booking-Team steckt mal echt alle die Männer in ein Roster, die sie auch gegeneinander fehden lassen wollen. Die strikte Trennung der Roster hat durchaus seinen Charme und der ging doch arg in den letzten Monaten verloren. Nunja, ich bin gespannt.

Unterm Strich
1. Smackdown (5 Punkte)
2. ECW (4 Punkte)
3. RAW (3 Punkte)

Wenngleich die Punkte auch eine Hierarchie ergeben, muss gesagt sein, dass in den vergangenen vier Wochen ausnahmslos jede Show von World Wrestling Entertainment zu unterhalten wusste. Viele der Hauptstorylines wie beispielsweise die um den Money in the Bank Koffer oder die um den ECW World Title fanden über die Rostergrenzen hinweg statt. Im Ganzen betrachtet lässt sich sagen, dass WWE wieder auf einem sehr guten Weg ist und man doch schon sehr tief einsteigen muss, um wirklich miserable Storylines, Gimmicks oder Promos zu finden.
Nach Showpunkten geht der Mai an Smackdown.
Ich bin rundum zufrieden und freue mich schon jetzt auf den nächsten Monat, der ja gleich mit der dritten Ausgabe des One-Night-Stand-PPV’s eingeleitet wird. Eine ganze Latte Gimmickmatches und das ein oder andere Schwarz-Weiß-Bild werden uns wohl erwarten und in allen drei Rostern wird man nicht drum herum kommen, sich neue Geschichten und Konstellationen auszudenken. Ich hoffe, dass auch Euch der Mai so gut gefallen hat wie mir – und wenn nicht, vielleicht konnte ich Euch dann ein wenig von meiner Euphorie anstecken.

Einen schönen Juni, viel Spaß bei One Night Stand und Vengeance und wie immer natürlich eine gute Zeit,
bis denn,
Ben